Orientierung

Die Navigation ist ein faszinierendes Thema. Mit einigen Kenntnissen kann man seine Position bestimmen, kann berechnen, wann die Sonne aufgeht und kann selbst eine stehen gebliebene Uhr wieder stellen. Unsere nachfolgende Aufstellung mag dem einen oder anderen vielleicht etwas dürftig aussehen. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen versuche ich, draußen die Abhängigkeit von technischen Dingen soweit wie möglich zu reduzieren, da deren Ausfall ohne die Kenntnis alternativer Möglichkeiten zu fatalen Situationen führen kann. Zum anderen bin ich der Meinung, dass die Grundlagen der Orientierung nicht mit dem GPS beginnen. Davor kommt die Arbeit mit Karte und Kompass, und die macht mir sehr viel Spaß. Ein GPS-Gerät haben wir erstmals auf dem Selvaggio Blu in Sardinien eingesetzt. In diesem Gelände machen die äußerst kurzen Peilstrecken in der dichten Macchia und das Fehlen markanter Punkte die Orientierung nur mit Karte und Kompass, wie z.B. auch im dichten Dschungel, sehr mühsam.

ORIENTIERUNG MIT KARTE, KOMPASS, GPS

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Den umfassendsten Einstieg in dieses Thema erhält man durch das Buch von Dr. Wolfgang Linke. Mit den vermittelten theoretischen Grundlagen, den praktischen Verfahren mit und ohne Kompass, verbunden mit der Möglichkeit, das erworbene Wissen auch zu überprüfen und den Tipps zur richtigen Wahl der Geräte ist es das Standardwerk für die Orientierung und Navigation im Outdoorbereich. In einer Rezension zu diesem Buch stand einmal: “… viele andere haben davon abgeschrieben.” Ich empfehle jedem, der sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen möchte, den Kauf dieses Buches und die Aneignung einiger dort beschriebener Verfahren. Durch den wasserfesten Einband ist es auch draußen ein idealer Begleiter.
Weiterführende Informationen, Kursangebote zur Erlernung und Anwendung in der Outdoorpraxis, etc. gibt es auf der Homepage von Dr. Linke: www.kartekompassgps.de

KOMPASS RECTA DP 10 (22 X 67 X 45 MM / 57 G)

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Kombination von Spiegel- und Peilkompass vom Schweizer Hersteller. Auf Grund der relativ kurzen Anlegekante nicht unbedingt das Modell, welches Dr. Linke empfiehlt. Aus meiner Sicht der einzige Nachteil mit einer ganzen Reihe anderer Vorteile. Durch das Schubladen-Prinzip ist der Kompass klein verpackt und gut geschützt. Er verfügt über Missweisungskorrektur, Neigungsmesser und eine Konversionstabelle. Zum exakten Berechnen der Deklination, Sonnenstandsmessung etc. gefällt mir die bis auf 0,5° genaue Peilung über die eingebaute Prismenoptik besonders gut. Obwohl er nicht über einen Inklinationsausgleich verfügt, war der Kompass auch beim Einsatz auf der Südhalbkugel (Patagonien) funktionsfähig.

Tipp:

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Auf der Unterseite des Kompass habe ich mit wasserfestem Faserschreiber folgende Merkhilfen angebracht:
“OST G < K” Bedeutet: Mein momentaner Standpunkt und ein zweites Geländemerkmal, welches in Sichtweite liegt (z.B. ein Berggipfel), sind mir auf der Karte bekannt. Dort bestimme ich zunächst den Kartenwinkel K. Anschließend ermittle ich durch Peilung zu diesem Merkmal den Geländewinkel G. Ist der Geländewinkel G kleiner als der Kartenwinkel K, liegt östliche Missweisung vor. D.h. die Kompassnadel zeigt um diese Differenz (=Gradzahl) am geografischen Nordpol vorbei nach Osten. Diese Gradzahl stelle ich nun am Missweisungsausgleich des Kompass ein. Die Buchstaben “W” (West) und “E” (Ost) zeigen mir, in welche Richtung ich dabei drehen muss. Wenn ich jetzt mit dem Kompass navigiere, zeigt die Nadel nach magnetisch Nord und die Nordmarke nach geografisch Nord. Damit kann ich im Gelände gemessene Winkel direkt auf die Karte übertragen und umgekehrt. Logischerweise bedeutet die Umkehrung G > K = westliche Missweisung.

TASCHENRECHNER CASIO FX-115S

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Solarbetriebenes Modell. Dient zum Berechnen des Sonnenstandes, der Sonnenauf- und Sonnenuntergangszeiten, der wahren Ortszeit u.v.m. Auf die Innenseite des Deckels habe ich die wichtigsten Formeln geklebt, auf der Außenseite befinden sich die Tabellen mit der Zeitgleichung und der Deklination der Sonne im Jahresverlauf. Der Rechner verfügt über sechs Speicherplätze, berechnet die Winkelfunktionen und hat eine Hexagesimaltaste, die den Wechsel zwischen Dezimal- und Sechzigersystem (Gradeinteilung auf dem Kompass) ermöglicht.

Tipp:

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Orientierung

Das Gradnetz der Erde besteht aus Längenkreisen (Meridiane) und Breitenkreisen (Parallelkreise). Der größte Breitenkreis ist der Äquator. In der Seefahrt wird der Vollkreis wie in der uns bekannten Schulgeometrie in 360° (Grad) unterteilt. Ein Grad wiederum wird unterteilt in 60 Bogenminuten, und eine Bogenminute in 60 Bogensekunden. Am Äquator entspricht ein Grad = 111,1 km. Dividiert durch 60 ergibt das eine Bogenminute mit einer Länge von 1,852 km. In der Seefahrt bezeichnet man diese Entfernung auch als Seemeile. Eine einfache Merkhilfe für diese Zahl bietet die Tastatur des Taschenrechners mit der vorgestellten Ziffer 1 und den übereinander stehenden Ziffern 8-5-2. Mit einem wasserfesten Faserschreiber habe ich mir die Zahlenfolge eingerahmt.

WINKELMESSER, ZIRKEL, BLEISTIFT

Ein handelsüblicher 360°-Winkelmesser (entspricht der Einteilung auf der Kompassrose) auf eine Folie kopiert und mit einem Faden durch den Mittelpunkt versehen, dient zum Winkelmessen über längere Strecken auf der Karte. Die kurze Anlegekante des DP 10 wird damit kompensiert. Der Zirkel wird zum Abgreifen von Entfernungen auf der Karte, zur zeichnerischen Bestimmung des Standortes über die Standkreise mittels Horizontalwinkeln, etc. verwendet. Mit dünner Bleistiftmine werden die Markierungen auf der Karte gesetzt.

KARTENMATERIAL

Die in einer guten Karte enthaltenen Informationen ermöglichen nicht nur das Planen einer Tour. Mit etwas Phantasie kann man sich in eine Landschaft hinein versetzen, ohne bereits dort gewesen zu sein. Einige unserer Unternehmungen sind auf diese Weise entstanden. Ob im Thüringer Wald, auf Island oder in Patagonien – ich versuche schon vor einer Tour möglichst genaue Karten, am besten topografische, über das Gebiet zu bekommen. Je größer der Maßstab, desto besser. Allerdings wird man aus Platz- und Preisgründen Kompromisse machen müssen. Ein großer Maßstab bedeutet auch einen kleineren Geländeausschnitt. D.h. man benötigt mehr Karten für das gleiche Gebiet, was Gewicht und Anschaffungspreis erhöht. Als Faustregel würde ich sagen: Je klarer der Tourenverlauf (z.B. Kanutour auf einem Fluss) desto kleiner kann der Maßstab sein (Kanada/Alaska bis zu 1 : 250.000). Je schwieriger die zu erwartende Navigation ist, desto größer sollte der Maßstab sein (Wanderung in unübersichtlichem Gelände, wie Gebirge oder Dschungel). Welche Karten wir bisher einsetzten, wird bei den Tourinfos zu den jeweiligen Reisen aufgeführt.

TOPOGRAPHISCHE TOURVORBEREITUNG

Navigations-Tabelle – Zur täglichen Erfassung und Berechnung der zur Ortsbestimmung notwendigen Daten verwenden wir eine Tabelle, deren Inhalt sich an der von Dr. Linke verwendeten Form und der von ihm beschriebenen Verfahren orientiert. Ausgehend von der Länge der Tour wird für jeden Tag ein Tabellenblatt kopiert und zusammen mit anderen Blättern (Checklisten, Fotolisten, Infos) zu unserem Expeditions-Tagebuch gebunden. Wer sich für diese Tabelle näher interessiert, kann sich die Erläuterung hier anschauen. Des weiteren kann das Formular dort als PDF-Datei herunter geladen werden.

PRAKTISCHES VORGEHEN UNTERWEGS

Bei der Ankunft im Zielgebiet versuche ich zuerst die örtliche Missweisung zu bestimmen. Ein Augenblick freie Sicht zur Sonne, eine genau gehende Uhr und die Kenntnis des Zeitmeridians genügen, um mit den oben angeführten Hilfsmitteln und den im Buch beschriebenen Methoden die Berechnung durchzuführen. Den ermittelten Wert stelle ich am Missweisungsausgleich des Kompass ein. Damit ist gewährleistet, dass sich das Übertragen von im Gelände gemessenen Winkeln auf die Karte oder umgekehrt an der geografischen Nordrichtung orientiert. Unterwegs bestimme ich abends im Camp im Prinzip täglich die aktuellen Sonnenauf- und Sonnenuntergangszeiten, die dazu gehörige Richtung und einige andere Werte und trage sie in vorbereitete Tabellen in unserem Tagebuch ein. Es dient der praktischen Übung und der Positionsbestätigung. Die Missweisung wird bei Ortswechsel regelmäßig überprüft, da sie durch örtliche Einflüsse selbst bei verhältnismäßig geringen Distanzen doch deutlich differieren kann, wie wir speziell in Island feststellen konnten. Dabei verlasse ich mich nicht nur auf Kompass und Taschenrechner, sondern überprüfe außerdem mit alternativen Methoden.

KLEINES LEXIKON

Deklination der Sonne – Entspricht dem Winkel (und damit dem Breitengrad), in dem die Sonne 12 Uhr mittags zur wahren Ortszeit über oder unter dem Äquator steht. Steht die Sonne um diese Tageszeit senkrecht über dem Äquator, sind Tag und Nacht auf der ganzen Erde gleich lang (Tag-und-Nacht-Gleiche). Dann ist Frühlings- bzw. Herbstanfang. Steht die Sonne senkrecht über dem 23. nördlichen Breitengrad (genau 23,44°), ist auf der Nordhalbkugel Sommeranfang mit dem längsten Tag des Jahres, während am Südpol Polarnacht herrscht. Die Deklination der Sonne ist ebenfalls wichtig zur Berechnung z.B. der Sonnenrichtung zu einer beliebigen Tageszeit, aus der man wiederum die Missweisung ermitteln kann.

Geländewinkel – Wird durch Peilung mit dem Kompass auf ein bestimmtes Geländemerkmal ermittelt. Entspricht dem Winkel zwischen der durch die Kompassnadel angezeigten magnetischen Nordrichtung und der Richtung zum anvisierten Geländemerkmal. Die Messung erfolgt im Uhrzeigersinn. Ein Peilkompass liefert genauere Ergebnisse.

Inklination – Auf der Nordhalbkugel wird das Nordende einer exakt in der Mitte gelagerten Magnetnadel nach unten gezogen. Dieses Phänomen nennt man Inklination. Um eine waagerechte Position zu erreichen, wird der Schwerpunkt entsprechend verlagert. Auf der Südhalbkugel ist es genau umgekehrt, so dass die Nadel u.U. eine so starke Schräglage einnimmt, dass sie nicht mehr frei schwingen kann. Inzwischen gibt es Modelle, die universell einsetzbar sind. Ansonsten muss man die Kompassdose gegen eine geeignete austauschen.

Kartenwinkel – Entspricht dem von der Nordrichtung auf der Karte abweichenden Winkel von einem definierten Ausgangspunkt zu einem definierten Zielpunkt bzw. einer vorgegebenen Richtung. Gemessen wird im Uhrzeigersinn, die magnetische Kompassnadel spielt keine Rolle.

Maßstab – Der Maßstab einer Karte stellt das Verhältnis der Kartenabbildung zur tatsächlichen Größe in der Natur dar. So entspricht beim Maßstab 1 : 50.000 ein Zentimeter auf der Karte einer Strecke von 50.000 Zentimetern (oder 500 m) in der Natur. Wichtig: Je kleiner die Zahl hinter dem Doppelpunkt desto größer ist der Maßstab, desto genauer die Karte.

Missweisung – Vereinfacht gesagt, ist die Missweisung oder Deklination der Winkel zwischen der Richtung zum geografischen Nordpol (auf die die topografischen Karten ausgerichtet sind) und der magnetischen Nordrichtung, die die Kompassnadel anzeigt. Diese magnetische Nordrichtung ist zum einen nicht ortsfest und zum anderen ist die Abweichung regional unterschiedlich groß. Bei der Orientierung mit Karte und Kompass ist die Kenntnis der örtlichen Missweisung, und damit die Beherrschung unterschiedlicher Verfahren zu ihrer Feststellung, von größter Bedeutung.

Peilkompass – Durch die eingebaute Prismenoptik ist ein sehr genaues Peilen im Gelände möglich. Aber der ermittelte Winkel lässt sich am Kompass nicht fixieren und mittels Anlegekante in die Karte übertragen. Der Vorteil liegt in der Ermittlung genauerer Werte für die Berechnung mit dem Taschenrechner.

Spiegelkompass – Durch einen ausklappbaren Spiegel kann man die Kompassnadel beobachten und über Kimme und Mittelstrich gleichzeitig einen Punkt im Gelände anpeilen. So lässt sich zum Beispiel eine auf der Karte ermittelte Richtung auf das Gelände übertragen. Bei einem unten liegenden Spiegel (Recta DP-Modelle) wird die Kompassrose sogar seitenrichtig dargestellt.

Wahre Ortszeit (WOZ) – Unsere Zeitmessung beruht im wesentlichen auf dem Stand der Erde zur Sonne. Ein Fixpunkt bei der Berechnung ist dabei der tägliche Höchststand der Sonne (=12 Uhr mittags). Durch die Einteilung der Erdoberfläche in Zeitzonen wurde bestimmt, dass es für die gesamte Zeitzone dann 12 Uhr ist, wenn die Sonne am festgelegten Zeitmeridian den Zenit erreicht hat. Für die Mitteleuropäische Zeitzone (MEZ) bedeutet das: Hat die Sonne am 15. Längengrad Ost ihren höchsten Stand erreicht, ist es in ganz Mitteleuropa 12 Uhr mittags. Dieser 15. Längengrad berührt Deutschland bei Görlitz an der polnischen Grenze. Obwohl die 12-Uhr-Nachrichten schon laufen oder gar vorbei sind, erreicht westlich davon die Sonne also später ihren höchsten Punkt. Die wahre Ortszeit entspricht dem tatsächlichen Stand der Sonne bezogen auf einen Standort und unabhängig von der Zeitzone.

Zeitgleichung – Jedes Kind weiß, dass ein Tag 24 Stunden hat. In Wirklichkeit gibt es im Jahresverlauf Unterschiede in der Tageslänge von bis zu +/- 15 Minuten. Die Ursache dafür liegt ganz vereinfacht gesagt in der ungleichförmigen Bewegung der Erde um die Sonne. Diese Differenz nennt man Zeitgleichung. Für eine exakte Bestimmung z.B. der örtlichen Missweisung ist ihre Kenntnis notwendig.