Patagonien – Mit Zelt und Rucksack am anderen Ende der Welt

Rund vierzehntausend Kilometer von Mitteleuropa entfernt, am anderen Ende der Welt, liegt eine der einsamsten und landschaftlich schönsten Gegenden unserer Erde. Da, wo sich die immer schmaler werdende Masse des südamerikanischen Festlandes zwischen den Atlantik und den pazifischen Ozean schiebt, ist das Klima ganzjährig rau. Starke Stürme bringen vom Pazifik hochschwangere Regenwolken mit, die in den eisigen Türmen der Andengipfel hängen bleiben. Östlich davon jagt ein scheinbar ewiger Wind über die trockene, tischebene Pampa zum hunderte Kilometer entfernten Atlantik. Dies und die Nähe zum Eisschrank der Antarktis sorgen dafür, dass die Temperaturen selbst an den langen Sommertagen kaum die 10° C – Grenze übersteigen.

Seit zwölftausend Jahren lebten hier kleine Gruppen indianischer Jäger und Sammler unter extremsten Bedingungen. Die Ankunft der „Zivilisation“ im 19. Jahrhundert überlebten sie nicht. Aber der Name des riesigen Gebietes, das heute auf den Territorien der Staaten Chile und Argentinien liegt, geht auf sie zurück:

PATAGONIEN – Land der Großfüße. Der Legende nach benannten es die Spanier nach den großen Fußabdrücken dieser hoch gewachsenen Indianer.

Nur mit Zelt und Rucksack bereisten wir diese faszinierende Landschaft. Nach mehr als dreißig Stunden Reisezeit und dem Kulturschock einer Fahrt durch die Millionen-Metropole Buenos Aires klettern wir in Rio Gallegos am Atlantik aus dem Flugzeug. In einem klapprigen PKW trampen wir gleich weiter in das chilenische Punta Arenas. Stundenlang rattern wir über eine Schotterpiste durch die endlose Pampa, während der Wind an unserem Spielzeug-Auto zerrt. Im vorweihnachtlichen Trubel der südlichsten Großstadt der Erde vervollständigen wir unseren Proviant. Dann reisen wir weiter Richtung Norden. Waren wir vorgestern noch am Atlantik, so besuchen wir jetzt auf unserem Weg die Pinguin-Kolonie am Seno Otway, einem Meeresarm, der sich vom Pazifik hereinstreckt. In Puerto Natales steigen wir in der kleinen Herberge “Tierra del Fuego” am Hafen ab. Von hier starten wir unsere Tour in den Torres del Paine-Nationalpark. Diese Landschaft ist grandios und das Wetter macht dem in Island Konkurrenz. Wir sehen die Torres und die Cuernos del Paine, beobachten Guanakos, Nandus und Kondore. Abends erholen wir uns am Feuer in unserem Schwedenzelt von den anstrengenden Wanderungen und der rasanten Mischung aus Sonne, Regen, Sturm und Schnee.

Von Chile fahren wir mit dem öffentlichen Bus über Rio Turbio ins argentinische Calafate. Einen ganzen Tag verbringen wir am riesigen Perito Moreno-Gletscher, wo es nie langweilig wird, den seltsamen Geräuschen der Eismassen zu zuhören und zu beobachten, wie hausgroße Eisblöcke in den Lago Argentino donnern. Dann geht es wieder stundenlang nach Norden in den Los Glaciares Nationalpark. Das Weihnachtsfest verbringen wir mit einem Christbaum aus Südbuchenzweigen im Zelt zu Füßen des Cerro Torre, während der Sturm wie verrückt an den Planen zerrt. Wir wandern quer durch das ganze Gebiet. Hier stellt uns das Wetter auf eine noch härtere Probe. Doch die schönen Tage entschädigen für alles. Berge wie der Fitz Roy oder der Cerro Torre sind einfach atemberaubend. Unweit des Paso Marconi, der hinauf auf das Südliche Patagonische Inlandeis führt, feiern wir Silvester. Zum Sekt gibt es Bannock, den wir dick mit Marmelade aus Calafate-Beeren bestreichen – auf dass wir wiederkommen in diese wilde, schöne Land.