Bütsch al Piz – Skibergsteigen zwischen Ofenpass und Allalin

Vom Ofenpass in die Silvretta

Offensichtlich war die Anfahrt doch ein wenig lang. Auf der Suche nach dem Gasthaus Buffalora überquere ich vom Unterengadin kommend forsch den Ofenpass und merke erst weit im Val Müstair, dass etwas nicht stimmt. Es ist nach zwei Uhr morgens und die nächtliche Passstrasse präsentiert sich alles andere als verlassen. Weiße Fellknäuel, Alpenschneehasen, huschen über den Asphalt. In den nahezu senkrechten, bergseitigen Stützmauern stehen immer wieder Gämsen – perfekte Kletterer, denen hier die Nacht gehört. Ich drehe um. Gegen drei Uhr schlüpfen wir endlich in unsere Schlafsäcke.
Geweckt werden wir von der Wärme der Frühlingssonne. Es ist Karfreitag, aber noch ist tiefster Winter hier – beste Bedingungen zum Skitouren gehen. Unser heutiges Ziel, der 2.968 m hohe Piz Daint dominiert den südlichen Horizont. Schweißtreibende eintausend Höhenmeter trennen uns von seinem Gipfel. Es wird ein schöner Aufstieg über ideales Gelände. Wir queren hinüber zur eingeschneiten Alpe Buffalora. Nach der ersten Stufe durch lichten Wald folgen weite, mittelsteile Hänge. Petra wartet am Vorgipfel, die Nacht war doch etwas kurz. Beim Rundblick am Gipfel vermischt sich die weiße Haube des Ortler mit aufziehenden Wolken. Die Abfahrt vom steilen Gipfelhang ist noch ruppig, ab dem Vorgipfel folgt unbeschwertes Vergnügen auf feinstem Firn über die hindernislosen Hänge. Im Gasthaus Buffalora regulieren wir unseren Flüssigkeitshaushalt und bummeln am Nachmittag im Sonnenschein durch Zernez, bevor wir uns auf den Weg nach Sent machen. Das wunderschöne Örtchen war schon einige Male unser Ziel, wenn wir vor dem Frühstück vom Campingplatz Sur En unten am Inn mit den Inlinern hinauf geskatet sind. Jetzt freuen wir uns auf das Wiedersehen mit Tina, Stöff und ihren Jungs Mischa und Florin. Stöff als Grillmeister auf der Veranda und Tina in der Küche verwöhnen uns mit einem fulminanten Nachtessen. Wir steuern Thüringer Bratwürste bei.
Am nächsten Morgen fahren alle zusammen mit dem Postbus nach Scuol. Unser Auto bleibt in Sent. Mit der Gondel schweben wir aus dem Frühling des Inntales hinauf in den Winter des sehr schönen Skigebietes von Scuol. Über die frisch präparierten Pisten arbeiten wir uns hinüber bis auf die Bergstation des Champatsch-Schleppers. Ab hier geht es ins Gelände. Florin ist etwas erkältet, er bleibt im Skigebiet. Zu fünft machen wir uns unter Führung von Tina auf den Weg zur Heidelberger Hütte. Die Berge hier sind ihr Reich. Souverän schwingt sie hinunter ins Tal und gibt die Richtung vor. Unten fellen wir auf. Den 3.179 m hohen Piz Tasna lassen wir links liegen und halten auf die weiße Kuppe des Davo Lais, 2.980 m, zu. Der Schweiß fließt in Strömen, es ist sommerlich warm, Petra krempelt sogar die Hosenbeine hoch. Im steilen Gipfelhang wird es wieder frischer. Oben haben wir einen phantastischen Rundblick. Bütsch al Piz. Am Horizont die Ortlergruppe, im Westen ragt der Piz Linard wie ein steiler Zahn in den blauen Himmel. Unter uns das Fimbatal, in dem wir die Heidelberger Hütte erahnen können. Schöne Abfahrt vom Gipfel. Mit geschickter Routenwahl schafft es Tina anschließend in dem flacher werdenden Terrain, dass wir bis kurz vor die Hütte gleiten können. Trotz Hochbetrieb auf der sonnigen Terrasse finden wir ein Plätzchen und stärken uns, bevor sich unsere Schweizer Freunde wieder auf den Rückweg nach Sent via Samnauner Skigebiet machen. Mal so eben zum Mittagessen auf die Heidelberger Hütte – eine beneidenswerte Rundtour! Für die nächsten drei Tage beziehen Petra und ich unsere reservierte Unterkunft. Wetter und Lawinenlage sind im grünen Bereich, so dass uns nahezu die gesamte Palette an Tourenmöglichkeiten hier offen steht. Am Ostersonntag steigen wir hinauf zur Heidelberger Scharte. Nach einem kurzen Versuch die Heidelberger Spitze von hier zu erklettern, was uns ohne die Steigeisen, die clevererweise in der Hütte liegen, zu heikel ist, schwingen wir auf den hart gefrorenen Hängen gute dreihundert Höhenmeter hinab ins einsame Laraintal. Über den gleichnamigen Gletscher und das Larainferner Joch steigen wir mit den Skiern bis auf die Spitze des 3.009 m hohen Piz Larain. Bütsch al Piz. Nach langer Gipfelrast folgt das steile und unverspurte Finale des Tages bis zur Hüttenterrasse. Hier bleiben bei gutem Essen, dem freundlichen, engagierten Team und der gemütlichen Einrichtung auch keine Wünsche offen.


Aufkommender Wind und erste, noch unauffällige Schleierwolken kündigen am Montag einen Wetterwechsel an. Ganz allein steigen wir auf zum Zahnjoch. Oben bläst der Wind wie in einem Windkanal. Wir halten uns nicht länger als nötig auf. Felle runter, Helm auf, Schuhe verriegeln – mit der Abfahrt auf der Westseite überschreiten wir die Grenze nach Österreich. Als unten am Talschluss die Jamtalhütte in Sicht kommt, wird der Hang sehr steil. Mit der gebotenen Vorsicht auf dem harten Untergrund schwingen wir in das breite Tal bis kurz vor den Finanzerstein. Zollwachhütte oben am Futschölpass, Finanzerstein – die Namen erinnern an Zeiten, als der Schmuggel im Grenzgebiet blühte und hier Zollbeamte stationiert waren. Ohne heiße Ware in den Rucksäcken, bis auf den Tee in den Thermoskannen, steigen wir auf zum Grenzeckkopf, 3.048 m. Bütsch al Piz. Nach dem weiten Rundblick rutschen wir ohne abzufellen über den Osthang der Bischofspitze zurück in die Schweiz. Der Gegenanstieg führt uns auf den Gipfel der Breiten Krone, 3.079 m, die letzten achtzig Höhenmeter zu Fuß. Bütsch al Piz. Hier blicken wir wieder hinab ins Fimbatal. Als wir nach langer Abfahrt die Heidelberger Hütte erreichen, liegen gute achtzehn Kilometer Strecke und rund 1.400 Höhenmeter hinter uns. Stürmischer Wind, die Gipfel in Wolken – so sieht das Wetter am nächsten Morgen beim Abschied von der Heidelberger Hütte aus. In weiten Spitzkehren erklimmen wir den ostseitigen Hang. Markierungsstangen erleichtern uns bei immer schlechter werdenden Sichtverhältnissen die Wegfindung zur Fuorcla Val Gronda. Hier treffen wir auf die Skipiste, die vom nahen Piz da Val Gronda hinunter Richtung Ischgl führt. Im Sturm ziehen wir die Felle ab. Die Sicht ist etwas besser. Wir schauen bis zum Zeblasjoch und sehen Skifahrer auf den Samnauner Pisten. Um möglichst ohne Gegenanstieg dorthin zu kommen, halten wir uns in den hart gefrorenen Steilhängen auf der rechten Seite so hoch als möglich. Angesichts des permanenten Tiefblicks gleiten wir mit viel Vertrauen in die scharfen Kanten unserer Skier, obwohl diese kaum eine Spur in der Oberfläche hinterlassen. Aufatmen am Zeblasjoch und entspannte Abfahrt auf den präparierten Pisten nach Samnaun. Der Postbus bringt uns zurück nach Scuol, wo Tina unser Auto am Bahnhof abgestellt hat. Super Service!

Hollandia-Hütte – Aufstieg und Rückzug

Durch den Vereina-Tunnel verlassen wir mit dem Autozug das Unterengadin. Unsere Fahrt ins Berner Oberland unterbrechen wir in Burgdorf, wo wir bei Ueli und Silvia und frühlingshaften Temperaturen herrlich entspannen. Zwei Tage später geht die Reise weiter. Der Föhnsturm hängt immer noch in den Alpen. Schon von der Autobahn können wir die charakteristischen Wolken an den Gipfeln erkennen. Der mit Abstand meist frequentierte und teuerste Zugang zu den gewaltigen Gletschern und Eisriesen, wie Eiger, Mönch und Jungfrau im Berner Oberland ist die Fahrt mit dem Zug auf das 3.466 m hohe Jungfraujoch. Sicherlich eine spektakuläre Tour, aber nicht das, was wir wollen. Wir lassen Interlaken links liegen, fahren hinauf ins Kandertal und mit dem Autozug durch den Lötschbergtunnel ins Kanton Wallis. Gleich nach dem Tunnelausgang bei Goppenstein biegen wir ab ins Lötschental. Schon auf der Fahrt hinauf zur Fafleralp gefällt uns das idyllische Tal mit den typischen Holzhäusern ausnehmend gut und wir beschließen, auf dem Rückweg etwas hier zu bleiben. Die Strasse von Blatten zur Fafleralp ist erst seit wenigen Tagen schneefrei. So können wir das Auto auf dem großen und leeren Parkplatz abstellen. Die Sonne scheint, in den weiten Hängen rechterhand sind einige Lawinenabgänge zu erkennen. Oben in der Lötschenlücke wabern einige Wolken. Da wollen wir hin. Der Aufstieg beginnt moderat. Eine schmale Skispur über eine Holzbrücke, kurz und steil einen felsigen Rücken hinauf, ein lichtes Waldstück, dann schlurfen wir gemütlich in das weite Tal hinein. Links über uns erkennen wir die im Winter geschlossene Anenhütte. Die alten Spuren, denen wir folgen, führen schließlich in die Hänge unterhalb der Anenhütte. Mit etwas Höhenverlust queren wir wieder in den Talgrund. Ab jetzt wird der Aufstieg zunehmend steiler. Wir passieren das Gletschertor, aus dem die Lonza entspringt. Je höher wir kommen, umso stärker wird der Wind, der die Wolken vom Pass immer weiter nach unten drückt. Eine geführte Gruppe kommt von oben herunter, passiert uns in einiger Entfernung. Der Wind erreicht schließlich Sturmstärke, Schneeflocken peitschen in unsere Gesichter, die Sicht ist auf wenige Meter reduziert. Es wird ein hartes Restprogramm. Immer wieder bleiben wir stehen, da die Böen drohen uns umzuschmeißen. Als einzige Orientierung bleibt die zunehmend verwehte Abfahrtsspur. Dazu kommt das mulmige Gefühl, über einen spaltigen Gletscher zu laufen. Irgendwann erkennen wir schemenhaft über uns die Hollandiahütte. Die letzten Höhenmeter dahin sind hart erkämpft. Bütsch al Piz! Felicitas und Barbara begrüßen uns wie alte Bekannte, bringen uns Decken zum Aufwärmen. Schnell wird uns warm und wir fühlen uns sauwohl. Der Aufstieg vom Lötschental wird eher selten gemacht. Mit dem Ausflug in die Hänge unterhalb der Anenhütte kommen wir auf rund 1.700 Höhenmeter Aufstieg. Im bequemen Lager ist reichlich Platz, nach dem Abendessen geht Felicitas mit einer Auswahl von ihrer Mutter gebranntem Hochprozentigem von Tisch zu Tisch. Nur die Wetteraussichten sind schlecht. Morgen wollen wir zur Konkordiahütte …


Waschküche beim Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen. Wir hoffen auf Besserung, beschließen zu bleiben und sind für den Tag die einzigen Gäste auf der Hütte. Ausschlafen, lesen, Kaffee trinken. Am späten Nachmittag reißt es für kurze Zeit komplett auf. Die Hüttencrew ordert kurzfristig einen Versorgungsflug mit dem Helicopter. Wir stehen warm eingepackt auf der Plattform vor der Hütte und können uns am Panorama kaum sattsehen. Unter uns der Blick in die komplette Aufstiegsroute bis weit ins Lötschental. Auf der anderen Seite Aletschferner, Konkordiaplatz, Grünhornlücke mit dem Finsteraarhorn darüber. Gewaltig! Der Hubschrauber kommt, landet nur kurz, es zieht bereits wieder zu. Felicitas fliegt mit zurück ins Tal. Ich helfe beim Entladen und Verstauen der Vorräte. In der Saison ist die Hollandiahütte auf einen Versorgungsflug pro Woche angewiesen. Etwas später kämpft sich eine geführte Gruppe italienischer Skibergsteiger von der Konkordiahütte herauf. Der Geräuschpegel in der bisher beschaulichen Gaststube steigt auf das Level einer stark frequentierten Start- und Landebahn. Für die Nacht werden sie von Barbara in einem anderen Raum einquartiert, wir haben das große Lager für uns allein. Am späten Abend ein Anruf von der Konkordiahütte. Vier deutsche Tourengeher sind von der Grünhornlücke kommend überfällig, ob sie eventuell hier wären. Sind sie nicht! Das klingt gar nicht gut! Draußen ist die Sicht wieder nahe Null und seit gestern hat es jede Menge Neuschnee gegeben.
Rückzug am nächsten Morgen. Das Wetter ist keinen Deut besser, die Italiener steigen ab und wir beschließen uns dran zu hängen. Nur zu zweit ohne Sicht über den mit gut 80 cm Neuschnee bedeckten Gletscher wäre uns zu riskant. In der großen Gruppe ist Hilfe untereinander besser möglich. Vor dem Start stimmt sich einer der Bergführer mit mir ab, da ich den GPS-Track vom Aufstieg habe. Es wird ein dreistündiger Blindflug, ein vorsichtiges Hinuntertasten im Weiß auf Weiß. Ab und zu weht der Nebel etwas auseinander und wir ahnen die steilen Felswände linker Hand mehr als wir sie sehen. Zweimal bekommen wir mit, wie dort leichte Lawinen herunter rauschen. Eine unheimliche Atmosphäre. Wir sind froh, als wir endlich den inzwischen wieder eingeschneiten Parkplatz an der Fafleralp erreichen.
Im Tal erwartet uns die Ruhe nach der Wintersaison, die meisten Gaststätten und Unterkünfte haben geschlossen. Mit etwas Glück kommen wir im Hotel Petersgrat in Kippel für zwei Nächte unter. Wir sind die einzigen Gäste. Ab Dienstag ist eine kurze Schönwetterphase vorher gesagt. Zu kurz, um noch einmal aufzusteigen und unsere geplante Tour zu unternehmen. Wir suchen uns ein neues Ziel. Bis dahin erkunden wir erst einmal das schöne Lötschental mit seinen urigen Holzhäusern. Inzwischen bringen die Nachrichten auf allen Kanälen die traurige Nachricht: Vier deutsche Tourengeher auf dem Weg zur Konkordiahütte von einer Lawine tödlich verschüttet.
Als wir am Montag weiterreisen, strahlt die Sonne vom Himmel. Kurz entschlossen fahren wir nochmal hoch zur Fafleralp, um den Blick über den Langgletscher hinauf zur Lötschenlücke komplett zu genießen. Auf der rechten Seite ist eine mächtige Lawine heruntergekommen und bis auf den felsigen Rücken oberhalb der Holzbrücke gerauscht. Oben geht eine Skispur hinein, unten kommt sie wieder heraus. Wir schauen uns an: Das ist unsere Abfahrtsspur vom Samstag!

Auf Strahlhorn (4.190 m) und Allalin (4.027 m)

Um die zweieinhalb angesagten Schönwettertage optimal ausnutzen zu können, setzen wir nach Saas Fee um. Das Skigebiet dort ist seit gestern geschlossen, aber jeden Nachmittag um 16.30 Uhr fährt noch eine Gondel für Skitourengeher. Im Sonnenschein schweben wir hinauf zur Station Felskinn und gleiten gemütlich auf breitem Weg zur Brittaniahütte. Die Hütte ist voll, aber wir haben telefonisch für zwei Nächte reserviert. Das 8-Personenlager ist gemütlich und bietet genügend Stauraum, dass es kaum Wasser aus der Leitung gibt hier oben ist erwartbar. Enttäuschend allerdings sind Qualität und Menge des Essens angesichts der Preise. Die liegen höher als auf der Hollandiahütte, die auf Grund ihrer Lage deutlich aufwändiger zu versorgen ist. Und das Essen dort war top! Den penetranten Schnarcher der ersten Nacht kriegen wir mit Ohropax in den Griff. Allerdings ist das auch der, der am Abend ewig seinen Rucksack packt und am Morgen eine Stunde vor dem offiziellen Wecken aufsteht und offensichtlich nochmal umpackt. Amateur! Geweckt wird man über Hüttenfunk mit „Hells bells“. Schon irgendwie cool.
Kurz vor sieben Uhr zischen wir den hart gefrorenen Hang hinunter auf den Hohlaubgletscher. Es ist kalt und klar, unser Ziel, das Strahlhorn macht seinem Namen alle Ehre und glänzt in der Morgensonne. Wir fellen auf und beginnen den langen Aufstieg Richtung Adlerpass. Slow and steady wins the race. Wir zwingen uns, betont langsam zu laufen. Heute geht es deutlich höher als in den vergangenen Tagen. Die Spur ist gelegt. Winzig erscheinen die bunten Silhouetten der vor uns gestarteten Tourengeher unter den eindrucksvollen Steilwänden des Hohlaubgrates. Nach diesen zweigt rechts die Route zum Allalinpass ab. Wir brauchen kaum Pausen, nur ein kurzer Stopp um zu warme Kleidung abzulegen. Nach und nach überholen wir einige Gruppen. Inzwischen verhüllen Wolken die Gipfel von Strahlhorn und Rimpfischhorn. Wind kommt auf. Wir hoffen, dass es wieder aufklart, aber im Steilhang nach dem Adlerpasses zieht es voll zu und beginnt zu schneien. Oben erreicht der böige Wind fast Sturmstärke, wir sehen mal wieder nichts und kommen uns vor, als stehen wir allein in der Arktis. Wir wissen, dass ab hier ein breiter Hang hinauf zum Gipfel zieht und versuchen, uns an kaum erkennbaren Spuren zu orientieren. Immer noch sind es knapp dreihundert Höhenmeter. Und die erinnern uns stark an unseren Aufstieg zur Hollandiahütte. Das Gipfelkreuz steht auf einem Felskamm, der Schutz vor dem Wind bietet. Wir machen Skidepot und klettern hinauf. Bütsch al Piz. Die Sicht ist nur etwas besser geworden, keine Chance, den grandiosen Rundblick von hier zu genießen. Unheimlich verliert sich direkt neben uns der felsige Abbruch der Nordwand in der nebligen Tiefe. Auf der Abfahrt vom Gipfelhang reißt es oberhalb des Steilhanges allmählich auf. Wir schauen hinunter nach Zermatt. Der Vorhang hebt sich weiter und schließlich steht dort das Matterhorn und winkt mit einer Wolkenfahne am Gipfel herüber. Wir schwingen hinunter zum Adlerpass und genießen dann unbeschwertes Abfahrtsvergnügen im Sonnenschein. Als wir am Hohlaubgletscher für den kurzen Rückweg zur Brittaniahütte wieder auffellen, ist der Himmel blau und die Berge frei. Auf uns wartet ein tiefenentspannter Nachmittag auf weich gepolstertem Loungemobiliar vor der Hütte, die Sonne im Gesicht und dem Blick auf Gletscher und Berge.


Am nächsten Morgen starten wir wieder gegen sieben Uhr. Der Wetterbericht verspricht für heute den schönsten Tag der Woche. Tatsächlich entdecken wir keine Wolke am blauen Himmel, als wir zurück zur Station Felskinn laufen. Eine kurze Abfahrt bringt uns hinunter auf die Piste unterhalb der Bergstation. Hier ziehen wir die Felle auf. Obwohl das Skigebiet seit Sonntag geschlossen ist, sehen wir Ratracs bei der Arbeit in dem weitläufigen Gelände und die Pisten sind frisch präpariert. Das würde uns den unteren Teil des Aufstieges zu unserem heutigen Ziel, den 4.027 m hohen Allalin, ziemlich angenehm machen, wenn … Ja wenn es Petra besser ginge. Sie ist total matt und kraftlos. In der vorletzten Nacht war eine Frau mit im Lager, die auf dem Rückweg vom Strahlhorn mehrfach im Schnee lag und sich erbrochen hat. Soweit es ging haben wir versucht zu helfen. Hoffentlich hat sich Petra da nicht angesteckt. Wir schleichen in Zeitlupe bergauf, irgendwann geht es einfach nicht mehr. Wir sind fast am Ende des Skigebiets, rechts die Bergstation eines Schleppliftes, daneben eine Art Schuppen. Die Tür ist nicht verschlossen, drinnen neben einigem Kram zwei Stühle und ein Tisch. Da es bei ihr im Moment weder auf- noch abwärts geht, kann sich Petra hier erst mal ausruhen. Ich steige allein weiter, soweit es geht. Eine Spur liegt, wir haben über uns zwei Gruppen im Aufstieg gesehen. Bergseil und Schlosserei lasse ich hier, allein brauche ich es nicht. Der Platz ist sicher und halbwegs bequem. Trotzdem gebe ich Gas, um schnell wieder zurück zu sein. Ich komme flott voran. Die Schlüsselstelle ist eine gewaltige Spalte quer im Steilhang, in der Mitte zugeschneit. Da geht es hinauf und ich sehe, wie sich dort einige der hinteren Gruppe in den Spitzkehren ordentlich plagen. Oberhalb davon habe ich sie eingeholt und steige zwischen einigen Spalten weiter bis zum Sattel unterhalb des Gipfels. Der Ausblick zu Matterhorn, Breithorn, Strahlhorn und Co ist schon hier überwältigend. Der Gipfelhang ist steil, hart und ziemlich abgeblasen. Aber die Ski greifen noch gut, Harscheisen sind nicht nötig. Skidepot unterhalb des felsigen Gipfelaufbaus, dann klettere ich hinauf. Oben erwartet mich ein schmaler Grat, der nahezu wagerecht zum dreißig Meter entfernten Gipfelkreuz führt. Was für eine Aussicht! Ganz allein stehe ich hier oben, tief unter mir Saas Fee und das Skigebiet. Auf der anderen Seite direkt vor mir das Rimpfischhorn, daneben das Strahlhorn. Zwischen den beiden am südlichen Horizont Dufourspitze, Zumsteinspitze, ganz deutlich auf der Signalkuppe die Capanna Margherita (siehe Titelbild ganz oben). Rechts vom Rimpfischhorn lugt der gewaltige Liskamm hervor, daneben die Zwillinge Castor und Pollux. Das Breithorn macht seinem Namen alle Ehre. Und rechts vom Matterhorn geht die Parade weiter. Abstieg zum Skidepot, vor der Abfahrt noch eine Stärkung. Die überholte Gruppe ist erst kurz über dem Sattel. Im oberen Teil muss ich noch auf die großen Spalten achten, danach habe ich Platz und kann meine eigenen Linien in unverspurten Schnee ziehen. Petra geht es besser, aber sie hat fast die ganze Zeit geschlafen. Wir lassen uns Zeit. Hier oben ist es ruhig und wunderschön. Die Sonne scheint warm herab und auf uns wartet nur noch die Abfahrt durch das Skigebiet. Und die wird schlicht und ergreifend ein saucooler Downhill. Ganz allein auf frisch präparierten Pisten carven wir ins Tal. Wir können es kaum fassen. Am Nachmittag liegt Petra auf einer duftenden Frühlingswiese auf dem Campingplatz Randa in der Sonne. Unser Winter für diese Saison ist vorbei. Bütsch al Piz!