Wintertraum Graubünden – Auf Skitouren in der Schweiz

Auftakt im Valser Tal

Tiefster Winter erwartet uns, als wir unser Auto am Parkplatz bei der Talstation der Valser Bergbahnen abstellen. Wind, starke Schneefälle und Minustemperaturen im zweistelligen Bereich lassen uns über eventuelle Skitouren nicht einmal nachdenken. Statt dessen erkunden wir in den nächsten beiden Tagen warm eingepackt das kleine, aber sehr feine Skigebiet von Vals. Jeden Morgen grundpräpariert, sorgen der stetige Schneefall und der mäßige Besuch dafür, dass nahezu jede Abfahrt auf den breiten Pisten ein Powderrun wird.

Flimser Skitouren

In Flims erwartet uns ein randvoller Campingplatz, auf dem wir geradeso noch ein Plätzchen ergattern. Aber das weitläufige Skigebiet ermöglichst uns auf Grund der erhöhten Lawinengefahr zunächst einige sichere Skitouren zum Eingewöhnen. Weitere Vorteile sind der kostenlose Skibus und dass wir einige Touren direkt vom Campingplatz starten bzw. beenden können. Die schweren Beine auf unserer ersten Tour zur Bergstation Naraus lassen uns an unserer Kondition zweifeln, aber es ist wohl ein Tribut an die noch ungewohnte Höhe. Am nächsten Tag geht es schon deutlich besser. Wir starten vom Campingplatz und wechseln unterhalb der Talstation Startgel ins Gelände. Die Belohnung ist eine traumhafte Abfahrt in frischem Pulverschnee. Der Tag darauf beginnt mit Sonnenschein, später steigen wir im Sturm und bei zunehmenden Whiteout soweit auf, bis es uns zu gefährlich wird. Wir sitzen einen Tag aus, hoffen auf die optimistische Wettervorhersage und werden nicht enttäuscht. Ganz allein steigen wir bei Postkartenwetter auf den Wintergipfel des Piz Dolf.

Vom Basislager Andeer ins Averstal und auf den Piz Beverin

Auf der Weiterreise machen wir einen Abstecher ins Safiental und genießen den Aufstieg zum Camaner Grat, der unzählige Abfahrtsmöglichkeiten bietet. Für einige Tage wird der Campingplatz im idyllischen Andeer unser Basislager. Noch im Dunkeln stehen wir auf und nutzen den Postbus, um aus dem Frühling des Hinterrheintales hinauf in den Winter ins Averstal und nach Mathon zu kommen. Bereits am Nachmittag wieder zurück, erholen wir uns in der Sonne. Klassische Frühjahrstouren. Schon die erste Fahrt nach Juf ist ein Abenteuer. Genauso atemberaubend wie die spektakuläre Schlucht sind die Fahrkünste der Busfahrer, die ihre Fahrzeuge buchstäblich zentimetergenau durch die engen Gassen der kleinen Bergdörfer zirkulieren. Die höchste dauerhaft bewohnte Gemeinde Europas ist genau nach unserem Geschmack. Wir steigen auf bis knapp unter den Gipfel des Wengahorns. Die steile Bergflanke ist hart und ruppig. Mangels Steigeisen schenken wir uns die letzten Meter. Traumblicke zur Bernina und zum Julierpass. Von Mathon geht es zunächst auf einen namenlosen Gipfel oberhalb des Einshorns. Tief unter uns der Vorderrhein unter dem Flimser Stein. Tags darauf der Aufstieg zum Piz Beverin mit einer herrlichen Steilabfahrt in seiner Firnflanke Richtung Wergenstein. Das Jufer Horn ist der höhere Nachbar des Wengahorns. Wieder brauchen wir in dessen gefrorenen Flanken die Harscheisen für einen sicheren Aufstieg. Der Rundumblick am Gipfel reicht vom Piz Beverin bis zur Bernina. Zum Greifen nah der markante Piz Turba. Die Abfahrt wechselt von ruppig über Firn bis zum Bruchharsch in Talnähe. Und noch einmal wählen wir Juf als Ausgangspunkt, diesmal die ziemlich apere Südseite hinter dem Dorf hinauf über den Stallerberg auf den Piz Surpare. Tiefblick nach Bivio an der Julierpassstrasse. Bald werden wir auch dort sein. Bevor wir weiterziehen, erkunden wir noch die malerische Rofflaschlucht oberhalb von Andeer.

Zerfreila

Ganz hinten im Valser Tal bei der Talstation der Bergbahnen führt eine schmale Bergstrasse hinauf zum Zerfreila-Stausee. Der Parkplatz beim gleichnamigen Gasthaus wird für uns der Ausgangspunkt für unsere nächsten Touren. Während die südlich ausgerichteten Hänge oberhalb des fast leeren Stausees ziemlich aper sind, liegt auf der Nordseite eine geschlossene Schneedecke. Von der Staumauer steigen wir über gestufte Hänge auf das Wissgrätli und genießen auf dem weitläufigen Gipfelplateau die herrliche Aussicht. Am nächsten Tag nehmen wir einen langen und flachen Zustieg um den Stausee in Kauf, um dann über ideales Skigelände in die Lücke unterhalb des Furggeltihornes zu steigen. Die Belohnung ist eine traumhafte Firnabfahrt, die Euphorie hält trotz des folgenden Gegenanstieges zurück bis zur Zerfreilakapelle. Ein Wetterwechsel kündigt sich an. Bei stürmischem Wind und eingeschränkter Sicht wandern wir tags darauf zu Fuß über die Staumauer hinauf zum Fruntstafel und frischen unterwegs unseren Trinkwasservorrat auf. Über Nacht kehrt der Winter mit starken Schneefällen zurück.

Zum Ursprung des Inn

Wir nutzen den Tag und ziehen um nach Bivio. Auf dem WoMo-Stellplatz rüttelt der Wind mächtig an unserem Nugget. Über Nacht bläst er die Wolken weg. Am nächsten Morgen ist es bitterkalt unter blauem Himmel. Wir tragen die Ski über die Strasse und können direkt starten. Kurz steil über die Piste geht es dann vorbei am Roccabella durch das schöne, weite Tal hinauf zum Septimerpass. Dann links steil hinauf zum Lunghin Pass. Links unter uns der zugefrorene Lunghin See. Hier entspringt der Inn. Vom Skidepot am Piz Lunghin gibt es herrliche Ausblicke ins Bergell. Tags darauf nutzen wir mit dem Tourengeherticket die Schlepplifte im Skigebiet und beginnen an der Bergstation unsere Tour zum Piz Turba. Der Wind hat teilweise fast Sturmstärke, aber der Himmel ist wolkenlos. Nach dem Forcellina Pass beginnt sich der Gipfel des Piz Turba langsam in Wolken zu hüllen. Am letzten Steilhang setzen wir die Harscheisen ein und genießen noch den Blick nach Juf und ins Averstal. Wenig später liegt die Sicht unter zehn Meter. Wir orientieren uns an einem Bergführer, der mit zwei Kunden vor uns unbeirrt aufsteigt. Oben ein schmaler Grat bis zum felsigen Aufschwung zum Gipfel. Den schenken wir uns. Sicht ist nahe Null. Die folgenden Minuten zerren an unseren Nerven, wie der Sturm, der uns Skier und Felle aus den Händen reißen will. Es ist kaum Platz. Inzwischen drängen sich sieben Leute (hinter uns kam noch ein Pärchen) auf viel zu engem Raum. Alle agieren sehr vorsichtig. In der Abfahrt verschluckt der Nebel sofort die vor uns gestarteten. Wir haben echte Orientierungsprobleme und bemühen schließlich den Track in der GPS-Uhr. Irgendwann nach dem Steilhang verlassen wir endlich die dichte Wolkenhaube, die sich der Piz Turba für den Rest des Tages aufgesetzt hat. Im schönsten Sonnenschein kurven wir über weite Hänge zurück nach Bivio.

Morteratsch

Die Osterfeiertage sind schon seit Tagen vorbei und der Winter scheint keinen Rückzug zu planen. Über den Julierpass fahren wir weiter ins Oberengadin, unser nächstes „Basislager“ steht auf dem Campingplatz Morteratsch oberhalb von Pontresina. Bei Schneefall und schlechter Sicht unternehmen wir eine Pistenskitour von der Talstation hinauf zum Berghaus Diavolezza. Oben hüllen sich Piz Palü und Kameraden in Wolken, ab und zu ein Blick auf den Fortezzagrat und den Persgletscher. Selbst die Abfahrt wird nahezu zum Blindflug. Starke Schneefälle am nächsten Tag lassen uns unsere weiteren Pläne überdenken. Im Gelände ist jetzt zu gefährlich. Wir nutzen die Annehmlichkeiten des Campingplatzes, schieben einen Waschtag ein und entspannen in der Sauna. Dann noch ein Skitag bei Sonnenschein, Eiseskälte und nahezu leeren Pisten an der Diavolezza. Gegenüber der Talstation Diavolezza bietet das lang gezogene Val da Fain Zugang zu aussichtsreichen Gipfeln. Petra nimmt sich einen Tag Pause, während ich das unberührte Tal hinein spure und dann steil hinauf zum Piz Minor kickkehre. Zum Greifen nah genieße ich das Postkartenpanorama von Piz Bernina, Bellavista und Palü. Die Abfahrt wird ein Pulvertraum, schneller Schnee bringt mich auch das flache Tal hinaus bis zur Bushaltestelle Bernina Suot.

Val da Camp

Von Morteratsch ist es nur ein Sprung über den Berninapass, um nach Sfazu zu kommen, dem Ausgangspunkt ins Val da Camp in den Livigno Alpen. Auf dem Weg zum Rifugio Saoseo müssen wir die Ski zunächst immer wieder tragen. Erst weiter oben finden wir eine geschlossene Schneedecke. Es ist viel Platz in der Hütte, wir haben ein Lager für uns allein. Am nächsten Tag steigen wir durch märchenhaften Zirbenwald, vorbei am Lagh da Saoseo. Nach dem zugefrorenen Lagh Val Viola kurzer Aufstieg durch eine Schlucht, dann wird das Gelände weitläufig. Als wir den Grat erreichen, der gleichzeitig die Grenze zwischen Italien und der Schweiz markiert, öffnet sich der Blick bis zum Dreigestirn Ortler, Zebru, Königsspitze. Aufkommende Wolken lassen uns am Gipfel nicht zu lange verweilen. In der Abfahrt wechselt Bruchharsch mit einer verdichteten Pulverschneeauflage. Zurück am Rifugio sitzen wir noch lange in der Sonne, bevor wir nach Sfazu absteigen.

Julierpass

Auf der Rückfahrt von Sfazu stoppen wir an der Talstation des Piz Lagalb. Das Skigebiet ist seit einigen Tagen geschlossen und so können wir trotz der fortgeschrittenen Tageszeit eine sichere Skitour mit herrlichen Nahblicken zur Berninagruppe unternehmen. Tags darauf auf der Weiterreise ein kurzer Abstecher nach Sankt Moritz. Der Zufall will es, dass heute endlich die Außengastronomie wieder öffnen darf. Zusammen mit anderen glücklichen Menschen sitzen wir auf der Terrasse des Hotels/Cafe Hauser und genießen Sonne, Eisbecher und Kaffee. Dann geht es weiter zum Julierpass. Der Piz Lagrev ist bekannt für viel Pulverschnee, selbst wenn der in der unmittelbaren Nachbarschaft schon in Bruchharsch, etc. übergegangen ist. Aber das wissen natürlich viele und da die letzten Schneefälle nun schon drei Tage zurück liegen, ist das Gelände ordentlich durchgepflügt. Trotzdem wird es eine schöne Tour mit Blick vom Wintergipfel auf die Oberengadiner Seen und den mächtigen Piz Julier. In dessen unmittelbarer Nachbarschaft unternehmen wir die nächste Tour auf den Piz Surgonda. Nach steilem und eisigen Aufstieg direkt von der Julierpassstrasse folgt moderates Gelände bis zum steilen Gipfelhang. Oben machen wir Skidepot und klettern über felsiges Terrain auf den Gipfel. Die Abfahrt wird ein Firntraum, bis wir weit unten auf Bruchharsch treffen und zu guter Letzt die Skier durch apere Steilhänge tragen müssen.

Val Müstair

Wir ziehen weiter. Vom Julierpass hinunter ins Engadin. Dort folgen wir dem jungen Inn bis nach Zernez, wo wir schließlich rechts in die Berge um den Schweizer Nationalpark abbiegen. Oben am Ofenpass öffnet sich vor uns das Val Müstair. Wir fahren zunächst ins malerische Lü. Von unserem Plan, von hier eine Skitour auf den Piz Terza zu unternehmen, haben wir uns bereits verabschiedet. Die Berge auf dieser Talseite sind weit hinauf aper, während gegenüber noch tiefster Winter herrscht. Wir machen eine kleine Wanderung und fragen dabei einen einheimischen Spaziergänger, wo wir uns über Nacht hinstellen können. Wir haben Glück! Es ist der Chef der hiesigen Busgesellschaft und er vermittelt uns die Möglichkeit, am eigentlich geschlossenen Camping Muglin in Müstair zu übernachten. Dort schlagen wir für eine ganze Woche unser „Basislager“ auf und sind Ivan Zangerle, einem der beiden Inhaber, für die Kulanz und Gastfreundschaft sehr dankbar!

Am nächsten Tag steigen wir auf den Piz Dora. Am Ausgangspunkt in Fuldera können wir direkt die Skier anschnallen. Nachdem wir den idyllischen Wald hinter uns gelassen haben, werden die Ausblicke immer gewaltiger. In einer langen Gipfelrast genießen wir das 360° Panorama vom nahen Piz Daint über Ofenpass, Ortler und der Berninagruppe am Horizont. Viel Bruchharsch macht die Abfahrt anstrengend und nicht ganz so freudbetont. Tags darauf biegen wir kurz vor dem Ofenpass zum geschlossenen Skigebiet Minschuns ab. Die Pisten sind noch in nahezu perfektem Zustand. So können wir entspannt bis zur Bergstation des Vallatscha-Schleppliftes aufsteigen und dann steil im Gelände und zuletzt kletternd auf den aussichtsreichen Gipfel des gleichnamigen Berges steigen. Die Abfahrt auf den unberührten Pisten wird ein Genuss. Eine kurze Schlechtwetterphase, die oben Schnee und unten Regen bringt, überbrücken wir mit einer Wanderung durch das ganze Tal von Tschierv bis nach Müstair und der Besichtigung des berühmten Klosters. Ein besonderes Highlight wird die Tour auf den Piz Minschuns. Da die Strasse zum Umbrailpass noch in Wintersperre liegt, organisieren wir uns im Hotel Alpina in Santa Maria den Schlüssel für die Schranke und fahren bis zum Startpunkt Punt Teal. Die Strasse ist schneefrei, aber übersät mit, zum Glück kleinen, Geröllbrocken. Mit den Skiern am Rucksack geht es steil einen aperen Hang hinauf. Oben erwarten uns ein malerischer Wasserfall und geschlossene Schneedecke. Im Val Costainas biegen wir links ab hinauf zum zugefrorenen Lai da Minschuns und weiter über gestuftes Gelände bis auf den Gipfel. Hier schaufeln wir uns ein Ruhebänkchen und genießen den Rundblick. Nur die Aussicht zum Ortler bleibt uns durch Wolken verwehrt. Dem Firntraum ins Tal folgt zäher Nassschnee, bis wir die Skier wieder an die Rucksäcke nehmen und zur Umbrailpassstrasse absteigen.

Gastfreundschaft

Abschied vom Val Müstair – für dieses Mal. Über den Ofenpass geht es zurück nach Zernez und weiter das Unterengadin hinab nach Sent. Endlich, nach ziemlich genau zwei Jahren, können wir Tina, Stöff und Flurin wieder einen Besuch abstatten. Es ist, als wären wir erst letzte Woche hier gewesen. Wir werden kulinarisch verwöhnt, machen einen Spaziergang durch das wunderschöne Örtchen und spielen am Abend alle mit großem Ehrgeiz um den Sieg beim Brändi Dog. Obwohl die Wettervorhersage nicht günstig ist, findet Tina eine Chance zum Tourengehen, wenn wir zeitig Aufstehen. Petra verzichtet dankend, Tina und ich starten viertel vor Sechs, erst mit dem Allrad bis zur Schneegrenze und dann auf der mittlerweile geschlossenen Piste, die vom Skigebiet Scuol nach Sent führt. Zunächst mit guter Sicht stecken wir nach fünfhundert Metern im dichten Nebel fest. Während wir auf Besserung warten, kommt plötzlich ein Skifahrer von oben aus dem Nichts. Ein Einheimischer, man kennt sich, und selbst er ist froh, dass er auf uns getroffen ist und so die Orientierung wieder gefunden hat. Wir warten noch ein wenig, werden aber nicht belohnt und beschliessen, ebenfalls abzufahren. Hier muss ich mich mächtig strecken, um an Tina dranzubleiben, die es ordentlich laufen lässt. Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns wieder auf den Weg und machen für zwei ziemlich verregnete Tage einen Stop auf dem schön über der Vorderrheinschlucht gelegenen Campingplatz Trin Mulin.

Disentis

Zwei Tage später geht die Reise weiter. In den höheren Lagen kam der Niederschlag der letzten Tage als Schnee, das macht uns Hoffnung auf gute Skitourenbedingungen. Immer das Vorderrheintal stromauf fahren wir dem Ursprung des Rhein entgegen. Auf dem schönen TCS Camping an der Strasse zum Lukmanierpass finden wir ein idyllisches Plätzchen. Hier ist Frühling und unsere Skier erregen einige Verwunderung. Für die erste Skitour fahren wir auf der Passstrasse bis nach Fuorns. Auch hier kein Pfitzelchen Schnee, angesichts dessen es Petra vorzieht, lieber ein Stück zu wandern. Unverdrossen schnalle ich die Skier an den Rucksack an und stiefele los. Das Ziel heißt Piz Ault und liegt in Sichtweite. Aber erst unterhalb der Alpe Puzetta kann ich anschnallen. Oberhalb der Baumgrenze wird der Hang sehr steil und pickelhart. Stellenweise weiche ich in felsige Passagen aus, wo ich die Skier in die Hand nehme und aufwärts klettere. Den noch steileren Gipfelhang schenke ich mir ohne Steigeisen und genieße stattdessen den weiten Rundblick von der Passstraße bis zum Oberalpstock. Tief unter mir brummt schon seit geraumer Zeit ein Hubschrauber, der unermüdlich Baumstämme aus den Hängen des Piz Ault transportiert. Die Abfahrt beginne ich zunächst sehr vorsichtig. Der Hang ist nahezu Eis und ein Ausrutscher würde mich schnell und schmerzhaft weit nach unten befördern. Im Wald finde ich immer wieder zusammenhängende Schneestücken zwischen den Bäumen und komme schlußendlich durch eine steile Rinne an die Schneegrenze, wo ich auf Petra treffe. Gemeinsam suchen wir uns ein gemütliches Plätzchen und beobachten bei einer Brotzeit, wie der Hubschrauber einen Stamm nach dem anderen auf dem inzwischen ansehnlichen Stapel ablegt.

Die nächste Tour starten wir an der Talstation der Caischavedra-Bahn. Ich wieder mit den Skiern am Rucksack, Petra zu Fuß wandern wir das Val d‘ Acletta hinauf. Erst nach fünfhundert Höhenmetern kann ich die Bindungen klicken lassen. Petra läuft noch ein Stück mit, als es zu mühsam wird, dreht sie um. Bis zur Alp Magriel ist es moderat, dann geht es steil eine Scharte hinauf. Oben kurz flach steige ich über coupiertes Gelände weiter. Die Schneeauflage ist hart, in einer längeren Rinne liegt eingeblasener Schnee, stellt aber kein Problem dar. Aus sicherer Entfernung beobachten mich neugierig einige Gämsen. Es ist nicht mehr weit zum Übergang ins Val Magriel, ich kann das Seil des Liftes schon gut erkennen, als es mit aufkommendem Wind beginnt, zu schneien und sich zuzuziehen. An einer geeigneten Stelle rüste ich um auf Abfahrt. Auf hartem, aber griffigem Untergrund kann ich es wunderbar laufen lassen. An der Schneegrenze mogele ich mich soweit wie möglich hinunter, bis die Skier wieder an den Rucksack kommen und ich den finalen Abstieg nach Disentis unter die Schuhsohlen nehme.

Oberalppass: Pazolastock und Fellilücke

Der Dauerregen, der uns am Campingplatz beglückt, fällt in höheren Lagen als Schnee. Als sich das Wetter stabilisiert, starten wir hinauf zum Oberalppass. Wir sind zu Dritt. Manfred ist aus der Heimat angereist und begleitet uns auf der heutigen Tour. Der Übergang nach Andermatt im Kanton Uri  ist seit wenigen Tagen frei. Oben erwarten uns die Sonne und senkrechte Schneewände links und rechts der Fahrbahn, die unser Auto überragen. Es ist Wochenende und am Restaurant Piz Calmot gibt es das seltene Rendezvous zwischen den zahlreichen Skitourengehern  und den ersten Motorradfahrern der Saison am Bergpass. Unser Ziel ist der Pazolastock, der direkt neben dem Pass aufragt. Die rund siebenhundert Höhenmeter zu seinem Gipfel bieten keine nennenswerten Schwierigkeiten, aber der Neuschnee ist tief und etwas feucht. Trotz Wachsimprägnierung beginnen unsere Felle nach einiger Zeit derart zu stollen, dass es Petra zu viel wird und sie den Weg zurück ins Tal nimmt. Ich muss ab und zu kleine Pausen einlegen, um das Gröbste vom Ski zu entfernen. Von der weiten, abgerundeten Gipfelkuppe des Pazoastockes gibt es einen herrlichen Rundblick. Zurück in der Senke vor dem Gipfel halten wir uns auf einem zunächst steilen und immer schmaler werdenden Grat Richtung Rossbodenstock. Dort, wo der Grat sich teilt, öffnen sich weite, mittelsteile Hänge, auf denen wir ins Tal powdern. Ein  Traum! Unten erreichen wir den zugefrorenen Lai da Tuma – der Ursprung des Rheins. Am Ausfluss des Sees geht es steil durch eine Klamm nach unten. Am Gegenhang erkennen wir die Maighelshütte. Unten halten wir uns links und schwingen über kopiertes, teils verspurtes Gelände zum Parkplatz an der Passstraße, wo uns Petra erwartet.