Zwischen Alpenhauptkamm und Venedig

Den Zugvögeln voraus ziehen wir im Spätsommer über das Timmelsjoch nach Süden. Für die ersten zwei Wochen schlagen wir unser Basislager auf dem schönen Camping Bergkristall bei Luis und Karl auf. Das Auto bleibt stehen, die guten Anbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglichen uns Zu- und Rückfahrt zu all unseren Zielen. Und davon gibt es hier zwischen Alpenhauptkamm und Texelgruppe mehr als genug.
Zum Aufwärmen und Eingewöhnen wandern wir in den ersten Tagen vom Bergkristall hinauf zur schönen, neuen Lazinser Alm, erkunden die Passerschlucht zwischen Sankt Leonhardt und Moos und genießen nach dem vorzüglichen Kaiserschmarrn in der Faltmaralm die Talblicke auf dem Panoramaweg zwischen Grünboden und Faltschnalalm.

Über Hinteren Seelenkogel und Hochwilde ins Pfossental

Mit für die nächsten drei Tage gepackten Rucksäcken starten wir von Pfelders zunächst die fünfhundert Höhenmeter hinauf zur Schneidalm, wo wir rasten. Die folgenden steilen zweihundert Höhenmeter bringen uns auf ein grasbewachsenes Plateau. Zu schön, um darüber zu eilen. Wir strecken uns auf der Wiese aus und genießen den Tag. Dann geht es in den Endspurt hinauf zur Zwickauer Hütte – ein sehr exclusiver Logenplatz über dem Pfelderer Tal. Wir checken ein, es ist nicht voll, und haben ein Lager für uns allein. Dem eindrucksvollen Sonnenuntergang folgt ein spektakulärer Sonnenaufgang. Wir schweben über einer geschlossenen Wolkendecke, aus der nur einige Berginseln heraus schauen. Beschwingt machen wir uns an den Aufstieg zum Hinteren Seelenkogel. In leichter Kletterei geht es über den schmaler werdenden Grat nach oben. Die Nacht war frostig und der Fels ist teilweise mit einer dünnen Eisschicht überzogen. An einem schmalen Gegenaufschwung wird es Petra zu heikel. Ich balanciere vorsichtig auf dem glatten Untergrund hinüber, der Gipfel ist zum Greifen nah. Der Ausblick oben ist ein Traum. Tief unten die immer noch geschlossene Wolkendecke, darüber die Zwickauer Hütte, das Rotmoosjoch, die Gletscher auf der Tiroler Seite, die Hochwilde, unser Ziel für morgen … Zurück an der Hütte liegt noch der ganze Tag vor uns.


Nach einem Capucchino starten wir auf dem Pfelderer Höhenweg, der ein Teil des Tiroler Höhenweges ist, unsere Querung hinüber zur Stettiner Hütte. Bergauf, bergab, in einigen Steilrinnen liegen noch Altschneefelder, die Vorsicht erfordern. Hin und wieder versperren Wolken den Talblick. Bei unserer Mittagsrast erheben einige Schafe Anspruch auf unsere Vorräte. Beim finalen Anstieg haben wir schöne Rückblicke über das ganze Pfelderer Tal. Die alte Stettiner Hütte wurde 2014 bei einem gewaltigen Lawinenabgang von der Hochwilde zerstört. Inzwischen ist der Neubau in der Fertigstellung. Für die Wanderer am Höhenweg gibt es zur Zeit noch Behelfsunterkünfte, von denen wir eine beziehen. Am nächsten Morgen starten wir zeitig in den Aufstieg auf die Hochwilde. Die Nacht war wieder kalt, als die Sonne die Berghänge erwärmt, bilden sich schnell aufsteigende Wolken. Der Aufstieg erfordert Trittsicherheit und teilweise den Einsatz von Händen und Füßen. Der Übergang zum Gipfel ist etwas ausgesetzt, die Schneeauflage auf dem Grat macht die Sache etwas kitzlig. Dann sitzen wir am neuen Gipfelkreuz der etwas höheren Südspitze der Hochwilde. Die Wolken sind in ständiger Bewegung, so dass wir mit etwas Geduld Ausblicke in alle Richtungen haben. Nur der Hintere Seelenkogel hält sich versteckt. Im Norden die Gletscher Richtung Obergurgl, im Süden die Hohe Weiße und der etwas verdeckte Lodner, dazwischen der Tiefblick ins Pfossental mit dem Eishof, unserem Ziel für heute.

Nach dem vorsichtigen Abstieg stärken wir uns in der Stettiner Hütte und wandern dann die wenigen Höhenmeter zum Eisjöchl hinauf. Hier öffnet sich der Blick ins Pfossental. Auf den gut ausgebauten Serpentinen nehmen wir uns viel Zeit für den Abstieg, genießen bei einer längeren Pause den Ausblick und die Sonne, die sich ein Wechselspiel mit den Wolken liefert. Der Eishof ist eine urige Location im hintersten Pfossental. Durch den Zugang über das Schnalstal ist hier auch mehr Betrieb als auf den hoch gelegenen Berghütten. Am Nachmittag marschiert eine Blaskapelle das Tal herauf, die von der Jägerrast kommend an jeder Alm am Weg ein Stopp eingelegt hat. Auch vom aufkommenden Regen lassen sich die Männer und Frauen nicht stören, während wir auf dem Balkon geschützt zuschauen.
Bei schönstem Wetter wandern wir am nächsten Morgen das Tal hinunter, vorbei an Rableid Alm und Mitterkaser Alm, bis wir die Baumgrenze erreichen. Am Gasthof Jägerrast endet die Strasse, die aus dem Schnalstal herauf führt. Wir halten uns links in den Wald hinein. Irgendwann erkennen wir durch die Bäume das kleine Örtchen Kartaus am Gegenhang. Wenig später öffnet sich der Blick. Spektakulär thront Katharinaberg über dem Schnalstal. Nach steilem Abstieg endet dort unsere Tour.

Tagestouren um Pfelders