Mit dem Jeep durch Islands Hochland

Es war auf einem Atlantikflug nach Vancouver, als plötzlich die Stimme des Kapitäns aus den Bordlautsprechern ertönt: “In wenigen Minuten werden wir die Südküste Islands überfliegen.” Gespannt drücken wir unsere Nasen an den Bullaugen platt. Mir wird bewusst, dass wir eigentlich nur eine sehr vage Vorstellung von dieser Insel am Polarkreis haben. Das Wort “Islandtief” aus dem Wetterbericht assoziiert undeutliche Bilder einer grauen, von Wolken verhangenen Landschaft, über die heftige Stürme brausen. Um so überraschter sind wir, als sich auf einmal saftiges Grün in das Blau des Ozeans schiebt. Ein schmaler, weißer Streifen kennzeichnet die Küstenbrandung. Riesige schwarze Sanderflächen werden von unzähligen Wasserarmen zerfurcht. Dahinter dominieren kegelförmige Bergmassive mit weißen Schneemützen, deren eingedrückte Spitzen den erloschenen Vulkan erahnen lassen. Nach Norden hin verliert sich die Landmasse in ein Gemenge aus Gletschereis und Wolken. Wir sind fasziniert und als wir wieder über den Weiten des Atlantik schweben, steht das nächste Reiseziel schon fest, bevor sich unsere Gedanken wieder Kanada zuwenden.

Island ist ein Land der Extreme. Erdgeschichtlich jung an Jahren bietet Island dem Reisenden die größten Gletscher Europas, aktive Vulkane, heiße Quellen, mächtige Wasserfälle und Geysire (Info: Ein Geysir bricht aus). Das Klima ist rau auf dieser Insel im Nordatlantik, und nur ein ebenso rauer Menschenschlag wie die Wikinger konnte sie ab dem 9. Jahrhundert erfolgreich besiedeln. So wagemutig war dieses Seefahrervolk, das es bereits 500 Jahre vor Kolumbus seinen Fuß auf den nordamerikanischen Kontinent setzte.

Rund 250.000 Einwohner hat Island heute. Der größte Teil davon lebt im Südwesten im Einzugsgebiet der Hauptstadt Reykjavik. Das Innere des Landes ist nahezu unbewohnt – eine menschenfeindliche Wildnis aus Eis und vulkanischem Gestein, aber auch von bizarrer Schönheit. Lediglich zwei Inlandpisten und einige Nebenstrecken führen durch dieses Gebiet, befahrbar nur in der kurzen, schneefreien Zeit der Sommermonate.

Das ideale Transportmittel ist ein Allrad, und so machen wir uns in einem alten Landrover auf den Weg durch das Hochland. Wir campieren bei Thingvellir, wo die Wikinger im Jahr 930 die Republik ausriefen. An den ewigen Wind, der an unseren Bergzelten rüttelt, müssen wir uns erst gewöhnen. Vorbei am Geysir Strokkur und dem berühmten Wasserfall Gullfoss geht es dann auf der Kjalvegur hinein in das Hochland. Die Strasse gleicht einer Wellblechpiste und es bedarf einiger Kilometer, bis wir den Bogen für halbwegs erschütterungsfreies Fahren heraus haben. Links und rechts tauchen die riesigen Gletscher Langjökull und Hofsjökull auf und die Temperatur sinkt spürbar. In den heißen Quellen von Hveravellir wärmen wir uns auf. Als wir am nächsten Morgen aus den Zelten krabbeln, liegt eine weiße Schneeschicht auf den Planen. Im Norden stoßen wir wieder auf die Ringstraße Nr. 1. Das Bauerngehöft Glaumbaer gibt Einblick in die Lebensweise der Isländer im Mittelalter. Die Luft riecht modrig in den Gebäuden aus Grassoden. Das ganze Jahr über liegt die Temperatur hier drinnen bei etwa 10° C, Feuer gab es nur in der Küche. Auf der Ringstrasse erreichen wir Akureyri, die zweitgrößte Stadt Islands. Während wir uns im heißen Wasser des Freibades räkeln, läuft draußen der Bademeister mit Mütze und Handschuhen herum.

Am Myvatn lagern wir inmitten eines Lavafeldes und unternehmen Wanderungen in die Umgebung, zum riesigen Explosionskrater des Vulkans Hverfjall, zum Hochtemperaturgebiet Namafjall mit seinen spektakulären Farben und zu den frischen Lavafeldern in der Nähe der Krafla. Der letzte Ausbruch war 1984! Der Myvatn trägt seinen Namen zu recht, es gibt riesige Mückenschwärme. Sie stechen zwar nicht, sind aber ständig um uns herum, kriechen in Mund, Nase, Augen und Ohren.

Nach einem anstrengenden Abstecher zum Dettifoss Richtung Norden, fahren wir anschließend wieder südwärts in das Hochland zum erloschenen Tafelvulkan Herdubreid. Flüsse werden gefurtet, schwarze Wüsten aus vulkanischer Asche gequert, schweißtreibend ist stundenlanges Fahren über holprige Lavafelder. Mit Lennart erklettere ich den 1682 m hohen Berg bis an seine felsige Haube im Gipfelbereich. Einige Kilometer südwestlich liegt der Vulkan Askja. In seinem riesigen Krater liegt der Öskjuvatn, mit 217 m der tiefste See Islands, und direkt daneben der Explosionskrater Viti, in dessen 20 ° C warmen Schwefelwasser wir nach Tagen wieder ein Bad nehmen.

Von hier aus fahren wir nach Kverkfjöll, einer kleinen Station am Nordrand des Vatnajökull, des größten Gletschers Europas. Während wir auf dem Gletscher wandern, können wir erkennen, wie südwestlich der Askja ein riesiger Staubsturm tobt. Durch dieses Gebiet wollten wir hinüber zur Sprengisandur fahren. Zwei Tage später hat sich das Wetter beruhigt und wir sind die ersten, die sich in diesem Jahr auf die wohl extremste Piste Islands wagen. 125 km lang tasten wir uns im ersten und im zweiten Gang zunächst über eine Sandebene und dann in steilen Auf- und Abfahrten über Lavafelder, durch metertiefe Schmelzwasserflächen und Schneefelder. Nach sieben Stunden ist es geschafft und in den nächsten Tagen genießen wir die Naturwunder des Südens, wie die Eruptionsspalte Elgdja, die warmen Quellen von Landmannalaugar oder das Felsentor von Dyrholaey, dem südlichsten Punkt Islands.

Kaum zu glauben: Auf keiner Tour haben wir soviel gebadet wie in Island. Selbst in kleinsten Örtchen gibt es oft ein Schwimmbad mit warmem Wasser, dazu noch die vielen heißen Quellen mitten in der Wildnis. Was das Wetter betrifft, haben die Isländer ein schönes Sprichwort: Wenn dir das Wetter nicht gefällt, dann warte fünf Minuten! Und so haben wir vom Schneesturm bis zu Sonnentagen mit über 20° C auch alles erlebt.

Strokkur – ein Geysir bricht aus

Im Thermalgebiet des Haukadalur befindet sich der große Geysir, dessen Name zum Begriff für alle heißen Springquellen geworden ist. Bevor er seine natürliche Tätigkeit einstellte, erreichten seine spektakulären Ausbrüche Höhen bis zu sechzig Metern. Physikalisch gesehen sind Geysire sozusagen senkrechte, mit Wasser gefüllte Röhren. In den Thermalgebieten wird das Wasser am Grund dieser Röhren derart erhitzt, dass es den Siedepunkt überschreitet. In einer bestimmten Phase verwandelt sich das überhitzte Wasser schlagartig in Dampf und dehnt sich explosionsartig nach oben aus. Dabei wird das darüber befindliche Wasser aus der Öffnung geschleudert.
Der Geysir Strokkur (das Butterfass) ist ein kleinerer Nachbar des großen Geysirs, der sehr touristenfreundlich mehrmals in der Stunde ausbricht.