Herbst in den Great Smoky Mountains

The Cherokee described these mountains as „Shaconage“ meaning „blue like smoke“. A smoke-like bluish haze, and mist-like clouds that rise following a rainstorm, provide the inspiration for the name Smoky Mountains.

Gut fünf Stunden dauert die Fahrt mit dem Mietwagen von Atlanta nach Norden. Nachdem wir die verkehrsreiche Peripherie der Hauptstadt von Georgia hinter uns gelassen haben, erleben wir eine entspannte Fahrt hinauf nach North Carolina, wo das Gelände immer gebirgiger wird. Die Great Smoky Mountains überqueren wir bereits in der Dunkelheit. Nach der langen Abfahrt von der Passhöhe am Newfound Gap folgt der abrupte Übergang aus dem dichten Laubwald in die hell erleuchtete Main Street von Gatlinburg wie ein Schock. Eben noch durch dunklen Forst bevölkern jetzt Menschenmassen links und rechts die Bürgersteige, an denen sich die bunten Reklamelichter scheinbar zahlloser Souvenirshops, Restaurants, Bars und so weiter aneinander reihen. Beinahe fühlen wir uns nach Las Vegas versetzt. Es ist Mitte Oktober, Höhepunkt der Farbenpracht des Indian Summer und damit Hauptsaison im meist besuchten Nationalpark der Vereinigten Staaten. Die Kleinstadt Gatlinburg ist auf Grund ihrer Lage der Ausgangspunkt in die Great Smoky Mountains von Westen, dem Bundesstaat Tennessee. Fakten, die den, der Natur und Einsamkeit sucht eher abschrecken. Aber wir konnten schnell feststellen, dass der durchschnittliche amerikanische Tourist Sehenswürdigkeiten meist von View Points in unmittelbarer Nähe seines Autos genießt. Wenn dies auch nicht überall zutrifft, bieten die “Smokies” trotzdem viel Raum für herrliche, ausgedehnte Wanderungen, die zu spektakulären Aussichtspunkten führen und wo man nach wenigen hundert Metern nahezu allein ist mit der Natur.
Für unseren ersten Tag nehmen wir uns gleich den Clingmans Dome vor, mit 2.025 Metern der höchste Berg des Gebirges. Die größte Herausforderung ist hierbei allerdings, zunächst das Auto sicher durch den Touristenverkehr von Gatlinburg zu bringen. Die Grenze des Nationalparks beginnt fast unmittelbar hinter der Stadt. Im Sugarlands Visitor Centre verschaffen wir uns einen ersten Überblick. Oben am Newfound Gap zweigt die sieben Meilen lange Clingmans Dome Road ab, die in einem geräumigen Parkplatz endet und den Aufstieg zum Gipfel auf einen knappen, mäßig steilen Kilometer reduziert. Auf dem Aussichtsturm empfängt uns stürmischer Wind. Der Kamm der Great Smoky Mountains ist gleichzeitig die Grenze zwischen Tennessee und North Carolina und der Wanderweg, der darüber führt, ist Teil des dreitausendfünfhundert Kilometer langen, berühmten Appalachian Trails. Dichte Nebelfelder werden vom Ostwind die Berghänge hinauf gejagt, bieten nur sporadische Ausblicke hinunter nach North Carolina. Auf der anderen Seite ist die Sicht nahezu frei. Der Blick gleitet ein buntes Blättermeer hinunter bis zum fast eintausendsiebenhundert Meter tiefer gelegenen Gatlinburg. Den nordöstlichen Horizont dominiert der lang gezogene Bergrücken des Mount LeConte, mit 2.010 Metern dritthöchster Berg in den Smokies. Schöne und anspruchsvolle Wanderungen führen auf seinen Gipfel.
Im Morgengrauen des nächsten Tages starten wir die Aufstiegsvariante über den Trillium Gap Trail. Bald überholen wir einen einsamen Hiker, der sich an einen Baumstamm stützt. “Are you looking for bears?”, versuche ich zu scherzen. “Catching for breath.”, kommt die etwas gequälte Antwort. Tatsächlich geht es kontinuierlich steil nach oben. Aber es läuft sich wunderbar an der frischen Herbstluft. Nach gut zwei Kilometer erreichen wir die malerischen Grotto-Falls. Nur kurz senkt sich der Wanderweg nach unten direkt hinter das herabstürzende Wasser. Nach drei Stunden und tausend Höhenmetern rasten wir in der warmen Sonne und genießen den tollen Ausblick vor den Hütten der Mount LeConte Lodge. Für den ebenso steilen Abstieg wählen wir den Rainbow Falls Trail. Unten halten wir nach insgesamt zweiundzwanzig Kilometern den Daumen raus und werden gleich beim ersten Versuch mitgenommen zurück zu unserem Auto.

Prächtige Herbstfarben empfangen uns am nächsten Tag am Newfound Gap. Einige Fotografen haben sich mit ihren Stativen in der Morgensonne aufgereiht und versuchen, die zauberhafte Stimmung einzufangen. Voller Vorfreude starten wir unsere zweite Tour auf den Mount LeConte. Doch schon auf den ersten Kilometern auf dem Appalachian Trail schieben sich tiefhängende Wolken vor die Sonne. Nach 2,7 Meilen zweigt der Boulevard Trail vom Kammweg ab. Sein Name verspricht tolle Aussichten, doch je höher wir steigen, umso tiefer tauchen wir in die Wolken ein. Ab und zu fetzt der böige Wind den Nebel auseinander und wir bekommen einen leisen Eindruck von dem was wir heute nicht sehen. Weiter oben passieren wir die Frostgrenze. Die vom Raureif überzogenen Pflanzen, der wabernde Nebelvorhang und das Rauschen der Bäume im Wind versetzen uns in einen Märchenwald, aus dem bald nach dem eher unscheinbaren Gipfel die warme Insel der Lodge auftaucht. Welch ein Kontrast zum Vortag! Wir genießen unsere Brotzeit in der Hütte, während draußen der Wind um die alten Balken pfeift. Eine kleine Herausforderung wird der steile und reifglatte Abstieg über den Alum Cave Trail. Der mehr als zweieinhalb Meilen lange Steig ist teilweise in den Fels geschlagen und mit Stahlseilen gesichert. Wir steigen gleichsam herab aus den Wolken, schon an der stark überhängenden Felswand der Alum Cave Bluffs genießen wir wieder die Sonne. Weiter unten klettern wir durch den Arch Rock, ein natürliches Felsentor, und erreichen bald darauf die Strasse, wo uns ein junger Hiker aus Massachusetts in seinem Auto mit hinauf nimmt zum Newfound Gap.
Unser nächstes Ziel liegt fast am Nordost-Rand des Gebirges. Auf dem East Parkway fahren wir bis zum Cosby Campground. Der steile Low Gap Trail bringt uns schnell auf Betriebstemperatur, so dass wir nach kurzer Zeit in T-Shirts steigen. Oben am Kammweg ist alles im Raureif erstarrt, wieder warm eingepackt marschieren wir in ständigem Auf und Ab weiter. Nach gut neun Kilometern erreichen wir den Gipfel des Mount Cammerer (1.502 m). Obwohl nicht der höchste Berg in der Umgebung bietet sein felsiger und exponierter Gipfel weite Ausblicke. Schon im Jahr 1937 wurde hier deshalb aus den vorhandenen Baumaterialien Stein und Holz ein massiver Feuerwachturm gebaut, der bis in die 60er Jahre besetzt war. Nachdem wir drinnen unsere Verpflegungsvorräte geplündert haben, lassen wir uns auf dem Umlauf den Wind um die Nase wehen. Im Nordosten geht der Blick bis zu den Blue Mountains. Unter uns ein herbstlich buntes Farbenmeer. Die Wolkendecke über uns ist in ständiger Bewegung, gibt der Sonne mal hier mal da die Chance, mit ihren Strahlen die Baumkronen zum Leuchten zu bringen.
Der Wetterbericht am morgen darauf spricht von der kältesten Nacht um diese Jahreszeit in den letzten fünfzig Jahren. Was das bedeutet, erfahren wir, als wir plötzlich kurz vor dem Newfound Gap im Stau steckenbleiben. Auf der Strasse hat sich Blitzeis gebildet, worauf hier keiner so richtig vorbereitet ist. Unendlich langsam und vorsichtig schiebt sich die Karawane hinauf. Manche Fahrzeuge beginnen selbst aus dem Stand urplötzlich zu rutschen. Wir sind heilfroh, als wir auf den Parkplatz abbiegen können. Es pfeift ein ungemütlicher Wind, die Informationstafeln sind von Schnee bedeckt. Wir sind hier zwar über 1.500 Meter hoch, aber immerhin etwa auf der geographischen Breite von Zypern und ein derartiger Kälteeinbruch im Indian Summer ist ziemlich ungewöhnlich. Doch genau diese Kombination bringt uns den bisher spektakulärsten Wandertag. Der böige Wind bläst alle Wolken vom Himmel, es bleibt so kalt, dass das Wasser in unseren Trinkschläuchen gefriert. Rund vier Meilen folgen wir dem Appalachian Trail nach Norden, bis er nach rechts unten abknickt. Geradeaus zweigt ein schmaler Pfad ab. Nur wenige Dutzend Meter laufen wir ausgesetzt an einer Felswand und extrem vorsichtig auf dem vereisten Boden. Dann liegt hinter uns eine steile Felswand, die der 1.696 Meter hohe Gipfel des Charlies Bunion krönt. Der vor uns einige Meter hoch aufragende felsige Sporn ist ein grandioser Aussichtspunkt. Wir haben einen weiten Ausblick auf bunte Wälder, die sich oben eine weiße Frosthaube aufgesetzt haben. Ein herrlich in der kalten Sonne glitzernder Kontrast. Ganz deutlich erkennen wir, wie der Boulevard Trail zum Gipfel des Mount LeConte hinauf zieht. Mehr als Entschädigung für die verpassten Aussichten zwei Tage zuvor. Auf dem Rückweg finden wir ein windgeschütztes Plätzchen in der Sonne und rasten mit Blick bis zum Clingmans Dome.
Vom Newfound Gap führt uns unser Weg diesmal hinunter nach North Carolina ins zwanzig Meilen entfernte Cherokee. Von all den Einrichtungen, die auch hier fast ausschließlich auf den Tourismus ausgerichtet sind, ragt das “Museum of the Cherokee Indian” weit heraus. Beeindruckt von der sehr informativ dargestellten Jahrtausende alten Historie der Ureinwohner und der letztendlich tragischen Geschichte des einst mächtigsten Stammes an der Ostküste ziehen wir weiter Richtung Bryson City. Abseits der Hauptverkehrsader über die Smokies macht das Städtchen fast einen verschlafenen Eindruck und es liegt direkt am Fuss des Gebirges. Auf unserer letzten anspruchsvollen Wanderung hier den Indian Creek Trail hinauf zur Sunkota Ridge und über diese und den Deep Creek Trail wieder zurück, genießen wir noch einmal die zauberhafte Stimmung des langsam ausklingenden Herbstes, das zunehmend fallende Laub, die schmalen, aber geräuschvoll murmelnden Gebirgsbäche, die durch die Baumkronen gefilterten Strahlen der Herbstsonne, die klare, kalte Luft, …