Powdertraum und Bruchharsch im Pitztal

In acht Minuten bringt uns der Gletscherexpress hinauf auf 2.840 m. Blendendes Weiß und Blau empfangen uns, als wir den Stollen verlassen. Um uns herum das Gewusel der Pistenskifahrer, die zu den verschiedenen Aufzugsanlagen streben. Wir genießen zunächst den freien Blick und schwingen dann entspannt hinunter bis kurz vor die Talstation der Mittelbergbahn, wo wir ins Gelände wechseln. Eine frische Spur zieht sich vor uns über den Mittelbergferner, weit vor uns erkennen wir eine Gruppe Tourengeher. Wir fellen auf und beginnen unseren Aufstieg zum Linken Fernerkogel, dessen Gipfelkreuz hoch über uns in der Sonne glänzt.
Der Anstieg bleibt zunächst recht flach, ideal, um sich der noch ungewohnten Höhe allmählich anzupassen. Wir queren die frisch präparierte, unberührte Langlaufloipe. Das gleichmäßige Schlurfen der Felle im Schnee, die Stille haben etwas ungemein Beruhigendes. Wir achten auf unseren Atemrhythmus und genießen den Blick über die weiten Gletscherflächen und die Gipfel. Bald wird es steiler. In Spitzkehren steigen wir hinauf zum Tiefenbachjoch. Oben verriegeln wir kurz die Bindungen, rutschen einige Höhenmeter ab, umrunden eine felsige Insel im Gletscher und steigen schließlich wieder in Spitzkehren hinauf zum Gipfelkreuz. Hier holen wir die Gruppe mit Bergführer ein. Die wärmende Sonne und ungehinderter Rundblick lassen uns länger rasten. Zum Greifen nah das Söldener Gletscherskigebiet, mit niemand dort möchten wir jetzt tauschen. Unübersehbar mächtig die Wildspitze im Süden, tief hinunter geht der Blick ins Pitztal. Die Abfahrt wird ein Pulvertraum vom Feinsten. Der riesige Gipfelhang bis hinunter auf den Karlesferner bietet jede Menge unberührten Tiefschnee. Euphorie pur! Unten müssen wir kurz Auffellen, bis wir den frisch präparierten Notweg, der vom Gletscherskigebiet ins Tal führt, erreichen. Auf der spektakulär angelegten, schmalen Notpiste schwingen wir entspannt bis kurz vor den Parkplatz.

Nach einem diesigen Tag, den wir auf den bestens präparierten und nahezu leeren Pisten am Riffelsee verbringen, strahlt wieder die Sonne vom blauen Himmel. Die Wildspitze, zweithöchster Gipfel Österreichs, ist ein renommiertes Ziel und aus dem Pitztal relativ leicht zu erreichen. Mit unserer noch geringen Höhenanpassung, passt uns die Tour, die relativ kurz ist, aber in große Höhe führt, gut in den Plan. Natürlich ist man bei einem derart leichten Zugang, wie dem Anstieg aus dem Gletscherskigebiet nicht allein. Von der Bergstation der Mittelbergbahn gleiten wir zum Mittelbergjoch und rutschen von dort steil hinunter auf den Taschachferner, wo wir auffellen. Zwei Gruppen sind bereits vor uns, eine geführte überholen wir bald. Sehr eindrucksvoll steigen wir über gestuftes Gelände zwischen Gletscherbrüchen auf Richtung Brochkogel. Oben wenden wir uns nach links, über dem weiten Gletscherbecken ragt unser Ziel auf. Offensichtlich von der Vernagthütte über das Brochkogeljoch kommend nähert sich eine 5er-Seilschaft. Wir folgen ihr nach einer kurzen Rast. In Spitzkehren geht es den Steilhang hinauf und dann nach rechts zum Skidepot unter dem Südwestgrat. Wir legen die Steigeisen an, verbinden uns mit kurzem Seil und machen uns an den Aufstieg. Im unteren Teil ist der Hang glatt und pickelhart gefroren, so dass die Steigeisen kaum eindringen. Weiter oben folgt leichtes Blockwerk, bis schließlich kurz vor dem Gipfel eine Kletterstelle wartet. Hier warten auch wir kurz, zwei 3er-Seilschaften machen es spannend. Nichts gegen Vorsicht, aber die Handgriffe sollten sitzen und nicht erst zu Dritt diskutiert werden. Wenig später stehen wir sogar allein am Gipfel und genießen den gewaltigen Rundblick, der Richtung Süden von aufziehenden Wolken eingeschränkt wird. Am Skidepot nutzen wir die Windstille für eine ausgiebige Rast, bevor wir uns an die Abfahrt machen. Es erwartet uns zunehmender Bruchharsch, wir bleiben vorsichtig und lassen es nicht zu schnell laufen. Zurück unter dem Mittelbergjoch entscheiden wir, die Talabfahrt über den Taschachferner zu wagen. Es herrschen beste Sichtverhältnisse und es hat genügend Spuren, so dass wir zuversichtlich sind, nicht in Spaltenzonen zu kommen. Es wird eine Abfahrt mit gemischten Gefühlen. Da sind die gewaltige Gletscherlandschaft auf der einen und der mühsame Bruchharsch auf der anderen Seite. Unterhalb des Taschachhauses wird der Talboden flach. Wir versuchen viel Fahrt mitzunehmen im sulzigen Schnee und müssen trotzdem einige kurze Gegenanstiege meistern. Im gefühlten Hochsommer erreichen wir die Pitztaler Skihütte am Talausgang, wo wir unsere Energiespeicher wieder auffüllen.